Referat
an der Schlussveranstaltung des drei Projekte zur Thematik Jenische, Sinti und
Roma des Nationalen Forschungsprogramms NFP 51 des schweizerischen
Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung
am 10. Dezember 2007 im Musiksaal des Stadthauses Zürich
Das Projekt, an dem ich mitarbeiten durfte,
beschäftigt sich mit Formen und
Sichtweisen der Integration und Ausgrenzung von Jenischen, Sinti und Roma in
der Schweiz seit 1800 bis heute[1].
Immer wieder stiessen wir dabei an Ränder: an zeitliche Ränder, weil
interessante Dokumente zum Beispiel mit 1790 datiert waren, an ethnologische
und soziologische Ränder, weil z.B. die genannten Gruppen untereinander nicht
immer sauber zu trennen sind, an geografische Ränder, weil diese Gruppen immer
wieder über Landesgrenzen gejagt wurden und Verwandtschaften hüben und drüben
besassen. Lassen Sie mich deshalb zu Beginn meines Vortrags kurz über solche
„Tellerränder“ hinweg schauen. In Deutschland wurde von den Medien seit den
1980er Jahren der Begriff „Sinti und Roma“ als seltsames Synonym für das
verpönte Wort „Zigeuner“ so nachhaltig geprägt, dass die Bevölkerung diese
Gleichsetzung mittlerweile fast vollständig nachvollzogen hat.
Erst im Jahr 2003 wurde in Singen der Verein der
Jenischen gegründet,[2] im Jahr 2005
der Jenische Bund in Deutschland.[3]
Diese Vereine kämpfen heute um ihr Existenzrecht, um die Anerkennung der
Jenischen als Minderheit in Deutschland. Trotz etlicher verbaler Schützenhilfe
aus der Schweiz argumentierte ein sogenannter Experte in einem Internetforum,
dass die Verfolgung der Jenischen im Dritten Reich hauptsächlich in der
Verweigerung des Mutterkreuzes, der Verweigerung von Sozialleistungen,
Festnahmen und Inhaftierungen im Rahmen der "Aktion Arbeitsscheu
Reich" und wohl auch Sterilisierungen bestanden habe, der
Auschwitzdeportation hingegen grundsätzlich nicht.[4]
Sie wurden seiner Ansicht nach nicht mit rassistischer, sondern mit
volkssanitärer, erbhygienischer, eugenischer Begründung verfolgt. Und genau aus
letzterer Begründung leite ich hier für mich Recht und Notwendigkeit ab, ein
paar Worte dazu heute zu sagen.
Der Schweizer Josef Jörger, der Psychiater von der
Klinik Waldhaus, publizierte 1905 im Archiv für Rassen- und Gesellschafts-Biologie
seinen Artikel „Die Familie Zero“[5].
Gerade weil jedermann mit der Eins zu zählen beginnt, wurde sein Deckname für
die Familie Stoffel zum Programm für die Jenischen. „Null“, und wo noch nicht
„Null“ ist, soll „Null“ werden. Nicht nur in der Schweiz, wo z.B. Alfred
Siegfried das Handeln seines „Hilfswerks“ bis zuletzt mit Jörgers Schriften
rechtfertigte, zogen Jörgers Worte grosse Wellen. Die Google-Buchsuche listet
139 Treffer [6] zum
Stichwort „Familie Zero“. Ein erheblicher Teil davon sind deutsche Publikationen
aus der Zeit zwischen 1905 und 1945, mit einem Schwergewicht in den 1930er
Jahren. Im Protokoll einer Lehrerratssitzung vom 15. Februar 1935 in Augsburg [7]
ist nachzulesen, dass gar „Wandtafeln für den rassen- und vererbungskundlichen
Unterricht“ unter dem Titel „Minderwertiges Erbgut: Familie Zero“ für die
Volksschulen verbreitet wurden. Diese „Sippe von Wanzen der menschlichen
Gesellschaft“ [8] wurde auch
von Alfred J. Ploetz von der Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene ins
Visier genommen, wenn er die „Rasse“ als mögliches Objekt der Eugenik in den
Mittelpunkt stellt und in seiner Definition explizit die „Ausschaltung von
(...) Unterrassen (...) aus dem Rasseprozess“ [9]
fordert. Zwar wird in einem im österreichischen Linz im Oktober 2005 publizierten Gutachten in einer Fussnote zu den
Jenischen festgestellt: „Sie wurden und werden bis in die Gegenwart ausgegrenzt
und diskriminiert und gehörten – wie Roma und Sinti – zu den aus „rassischen“
Gründen Verfolgten des Nationalsozialismus.“[10]
Trotzdem ist bis zur gleichberechtigten Anerkennung der Jenischen in
Deutschland noch ein weiter Weg. Um das Steuer herumreissen, das Rad der Zeit
in eine gute Richtung weiterdrehen zu können, brauche ich als „kleiner
Jenischer“ Ihre Unterstützung als Wissenschafter, Politiker, Publizisten usw.
Die Schweiz war vielleicht in den 1970er Jahren mit der Gründung der
Radgenossenschaft den umliegenden Ländern einmal mehr 30 Jahre voraus, wie auch
1905 bei der Publikation Jörgers. Schweizer Wissenschafter jener Zeit, erinnert
sei an dieser Stelle beispielhaft auch an Auguste Forel[11]
und Ernst Rüdin[12], waren
Pioniere und Vordenker, ich hoffe, dass es unsere Generation ebenfalls sein
wird, wenn es darum geht, Grundlagen für eine integrative und Ausschluss
vermeidende Gesellschaft der Zukunft zu schaffen.
Dass dafür auch in der Schweiz nach wie vor grosser
Handlungsbedarf besteht, möchte ich mit einem weitern kleinen Ausflug an den
Tellerrand illustrieren. Die in der Erzählung der „Vagantengeschichte“ bei
Jörger gebündelten symbolischen Merkmale bestimmten auch die
eugenisch-psychiatrische Diagnostik der nächsten Jahrzehnte. Sie erfuhren durch
die Zuordnung des „Vaganten“ zum „getarnten Schwachsinn“ noch eine weitere
Verschärfung, die dann in der Figur des „sesshaften Vaganten“ beim
„Zigeunerforscher“ Robert Ritter ihre Ergänzung fand.[13]
Der „sesshafte Vagant“ wiederum findet eine ganz unerwartete Wiedergeburt in
Publikationen wie z. B. dem Zweiten Bericht der Schweiz zur Umsetzung des
Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten, in
welchem die Schweizer Behörden feststellen, dass „heute eine grosse Mehrheit
der Fahrenden sesshaft [lebt]“ [14].
In der Schweiz wird seit den 1980er Jahren das Wort
„Zigeuner“ politisch ähnlich konsequent gemieden wie in Deutschland. Das
vermeintlich politisch korrekte Synonym hierzulande heisst eben „Fahrende“.
Eine E-Mail-Anfrage vom 18. November 2007 an den zuständigen Bundesbeamten,
Herrn Paul Fink, ob folgende Formulierung den Intentionen der eidgenössischen
Politik entspricht und als zutreffend verwendet werden kann: „Die Jenischen
sind in der Schweiz als nationale Minderheit anerkannt.“ ergab die, nur
partiell überraschende, Antwort: „Die Sache ist komplizierter. Die Schweiz hat
die Fahrenden als nationale
Minderheit anerkannt (Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler
Minderheiten), und sie hat das Jenische
als territorial nicht gebundene Sprache der Schweiz anerkannt (im Zusammenhang
mit der Europäischen Sprachencharta).“[15]
Meine Sprache als Jenischer ist also anerkannt und geschützt, nicht jedoch
meine Integrität als jenischer Mensch.
Der Verein schäft qwant postulierte deshalb in seiner
Vernehmlassung zum Zweiten Bericht der Schweiz zur Umsetzung des
Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten: „Der
Begriff ist jedoch nicht nur wegen seines unscharfen Fokus problematisch. Der
Begriff ‚Fahrende’ führt die Tradition des pejorativ verwendeten Begriffs
‚Fahrendes Volk’ in der öffentlichen Wahrnehmung fort. In der behördlichen Anwendung
offenbart er seine Beliebigkeit: Geht es darum, die politischen Vorhaben und
Massnahmen betreffend der Jenischen zu beschreiben, werden diese als ‚rund
30'000 Fahrende’ bezeichnet. Massnahmen betreffend die ‚auf Reise’ lebenden
Menschen (also sowohl Jenische als auch Sinti/Manouches) enthalten
üblicherweise Formulierungen wie ‚rund 2'500 effektiv Fahrende’.
Der als Antagonismus zu ‚Fahrende’ benutzte Terminus
‚sesshafte Bevölkerung’ zementiert zusätzlich eine künstliche Trennlinie,
innerhalb der sämtliche Jenischen, Sinti und Roma zu ‚Fahrenden’ deklariert
werden, unbesehen ihrer jeweiligen Lebenswirklichkeit. Andererseits lebt heute
mancher Angehöriger der Mehrheitsgesellschaft ‚fahrender’ als die
terminologisch zwangsweise dieser Gruppe Zugeordneten. Der Begriff ‚sesshafte
Bevölkerung’ beinhaltet eine kulturelle Wertung und Ausgrenzung der Jenischen,
Sinti und Roma. Gerade in einem Bericht, der ‚nationale Minderheiten’
thematisiert, liegt die nicht-diskriminierende Bezeichnung auf der Hand: statt
‚sesshafter Bevölkerung’ ist der Begriff ‚Mehrheitsgesellschaft’ zu verwenden,
der die Verhältnisse und Problematiken des Berichts klarer definiert und
abgrenzt.
Während die umliegenden Länder und die UNO seit
Jahrzehnten ihre Begrifflichkeiten auf die Selbstbezeichnung der Völker
fokussieren (Roma als Bezeichnung für eine Gruppe von Völkern im Sinne der UNO,
‚Sinti und Roma’ als präzisierende Bezeichnung in Deutschland, „Roma, Sinti und
Jenische“ als präzisierende Bezeichnung in Österreich), reduziert die Schweiz
die Angehörigen dieser Völker in ihrer Begrifflichkeit „Fahrende“ auf einen
Teilaspekt ihres historischen und kulturellen Kontextes, suggeriert damit, dass
die Roma, Sinti und Jenischen keine Völker (korrekter wäre hier eigentlich der
Begriff ‚nation’ anzuwenden, so wie er im englischen Sprachraum soziologisch
definiert und angewandt wird), sondern isolierte soziale Gruppen seien. Der
ganze Bericht schliesst die, nicht zuletzt durch die genozidalen staatlichen
Massnahmen der Vergangenheit sesshaft gewordenen, nicht ‚fahrenden’ Teile
dieser Völker aus dem Minderheitenschutz aus.“ [16]
Soweit meine jenischen Randbemerkungen. Ich möchte nun
ein paar Worte über die Arbeitsweisen unseres NFP-Teilprojektes verlieren. Dass
ein Jenischer in die Archive Zutritt erhält, weckte bei den Jenischen und ihren
Vereinen Hoffnungen und Ängste. Einerseits war da die Hoffnung, dass wir
Jenischen damit der alten Forderung, „die eigene Geschichte selber zu
schreiben“ [17] einen
grossen Schritt näher kommen. Andererseits waren da vereinzelte Befürchtungen,
dass „dieser Nobel“ vielleicht Unangenehmes, allzu Familieninternes etc. in den
Archiven aufstöbern und verbreiten könnte. Für mich selbst war schon nach
kurzer Zeit das psychisch Verkraftbare bei der Durchsicht meiner eigenen Familienakte
erreicht. So fanden wir als Arbeitsgruppe zu einer Arbeitsweise, die diesen
Widerspruch zu lösen versucht. Als Jenischer war ich sehr aktiv am Erstellen
der Interviews beteiligt. Ich habe wohl einige andere Interviewpartner befragt,
als das ein Aussenstehender getan hätte (oder auch, mangels Familienkontakte,
hätte tun können). Und ich habe andere Fragen gestellt. Fragen, die aus
persönlicher Betroffenheit und eigenem Detailwissen entstanden und meinen
Interviewpartnern halfen, ihre Erinnerungen zu sortieren und in ihren eigenen
Worten darzustellen. Die Archivarbeit zum Thema „Jenische“ jedoch überliess ich
„an der Front“ meinen Partnern. Hier war mein Wissen beratend und ergänzend „im
Hintergrund“ gefragt. Manch scheinbar Unerklärliches löste sich so schnell auf,
die vertiefte Suche nach Zusammenhängen in den Akten und nach neuen Akten, die
unter manchmal überraschenden Stichworten abgelegt waren, wurde durch meine
Tipps manches Mal verkürzt oder gar erst ermöglicht. Die nötige Distanz bei der
eigenen Archivarbeit erreichte ich dadurch, dass ich meinen Hauptfokus auf die
Sinti und Roma richtete. Deshalb handelt auch die Fallgeschichte, die ich Ihnen
hier präsentieren möchte, eben nicht von Jenischen.
Im
Bundesarchiv trägt ein Dossier den Titel „Zigeunerfamilie S-G“. Wer waren diese
Leute und wie entstand das 634 Seiten dicke Aktenbündel? [18]
Der Deutsche Hilfsverein Zürich wusste am 2. August
1918 zu vermelden: Es handle sich im vorliegenden Falle um eine umherziehende
Schirmflickerfamilie, die sich schon seit 1908 vagabundierend in Süddeutschland
und in der Schweiz aufhält. Als Kriegsfürsorgestelle des Kaiserlich Deutschen
Generalkonsulats Zürich seien von hier aus seit Kriegsbeginn die 6 unmündigen
ausserehelichen Kider des Geschirr- und Pferdehändlers Gregor S., geboren den
16. Februar 1885, unterstützt und versorgt worden. 4 Kinder befänden sich in
der Heilsarmee Zürich, während 2 andere in der Waisenanstalt Menzingen
untergebracht sind. Gregor S. sei aus dem deutschen Heere entlassen worden und
solle sich vagabundierend im Kt. Aargau befinden. Infolge der Entlassung des
Vaters aus dem deutschen Heere erlösche der weitere Anspruch auf die
reichsgesetzliche deutsche Kriegsunterstützung. Sie hätten früher in Freienbach
/ Schwyz gelebt, aber dort in einer gänzlichen Verwahrlosung. Anlässlich einer
Kontrolle sei die Familie aufgelöst worden, die Kinder wie oben erwähnt
versorgt, die Mutter G. in die Zwangsarbeitsanstalt Schwyz verbracht. Die
Familie müsse heute als staatenlos angesehen werden. Es wird noch hinzugefügt,
dass der 7. Sohn sich angeblich im deutschen Heere befinden soll, doch sei er
auch dort seit langem nicht mehr auffindbar.
Im August 1914 befanden sich 6 Kinder der Familie
durch eine Verfügung des schweizerischen Justiz- und Polizeidepartements im
Zufluchtsheim der Heilsarmee, während ihre erwachsenen Angehörigen teils in der
bernischen Anstalt Witzwil, teils in anderen Anstalten interniert wurden. Die
aus Blotzheim im Elsass stammenden Kinder, zwischen 1905 und 1914 geboren,
befanden sich im August 1920 noch, oder zum Teil seit September 1918 wieder, im Heilsarmeeheim. Das
Justizdepartement verlangte am 14. April 1920, dass diese Kinder so bald als
möglich abgeschoben werden. Im August 1920 wurde beim Waisenamt der Stadt
Zürich eine förmliche Beistandschaft eröffnet. Im Sommer 1921 rissen die
13jährige Karoline und ihr 9jähriger Bruder aus dem Heilsarmeeheim aus. Rund 7
Wochen lang sollen sie sich im Kanton Schwyz herumgetrieben haben. Am 30. Juli
1921 wurden alle Geschwister vom Polizeikommande Zürich erkennungsdienstlich
behandelt. Im September 1921 belegt eine Rechnung der Klinik Burghölzli, dass
die 13jährige auf Grund ihres Ausreissens nun dort interniert war. In den
folgenden Jahren dokumentieren eine Vielzahl von Bescheinigungen des Justizdepartements
zu Handen verschiedenster Gemeindebehörden, dass die Kinder nun in Anstalten
und zu privaten „Pflegeplätzen“ verteilt und oft umplatziert wurden. So befand
sich z.B. Marie 1921 eine Zeit im Heilsarmeeheim Basel, 1922 im Kinderheim
„Sunnemätteli“ in Bäretswil, ab Mai 1924 aber bei ihrem „Oheim“ Josef T. in
Buttikon. Dieses Dokument legt den Schluss nahe, dass die Kinder durchaus in
der Schweiz nicht nur die Mutter, sondern eigentlich im bürgerlichen Sinne
„Familie“ hatten. Ihr Grossvater entstammte einer hochangesehenen Familie, war
aber „unter seinem Stande“ verheiratet mit einer „Vagantin“ aus dem Elsass.
Trotzdem folgerte das eidgenössische Justizdepartement am 30. August 1927, dass
Marie bloss schwarz über die Grenze gestellt werden könnte, „eine Massnahme,
die namentlich dann versucht werden könnte, wenn die S. mit unsern
Strafbehörden in Konflikt käme. Eine Einbürgerung der in der Schweiz
befindlichen heimatlosen Zigeunerkinder scheint uns ausgeschlossen. Wir
vertreten in konstanter Praxis die Auffassung, dass der Abschnitt A des
Heimatlosengesetzes vom 3.12.1850, der die Einbürgerung der zur Zeit seines
Erlasses in der Schweiz existierenden Heimatlosen zum gegenstand hat, obsolet
geworden ist.“ Am 20. Januar 1936 verfügte die Polizeidirektion des Kantons
Zürich die dauernde Ausweisung der 1913 geborenen Clementine S. , einer
„neurotischen Psychopathin mit habitueller Vagantität“, die „durch ihre
inkorrekte Handlunsweise die Einleitung der Untersuchung verschuldet hatte.“
Clementine wurde 1928 als 15jährige in schneller Folge zwischen Familienstellen
in Fehraltorf, Rümlang und Turbental, dem städtischen Jugendheim Artergut und
dem Mädchenheim Stäfa, sodann 1929 auch noch dem Asyl für schutzbedürftige
Mädchen am Nonnenweg in Basel hin- und
hergeschoben. Am 2. April 1932 fand ihre Odyssee „zwecks Beobachtung“ im
Burghölzli ihr vorläufiges Ende. Am 25. Juni meldete die Fremdenpolizei, dass
Clementine als nicht geisteskrank entlassen worden sei. Am 14. Juli wusste die
Amtsvormundschaft zu berichten, dass bei Clementine eine eigentliche
Geisteskrankheit nich festgestellt werden konnte, wohl aber eine auffallend
ausgeprägte Sensibilität. Im Burghölzli berichtete sie, dass sie immer im
Glauben gelebt habe, bei Ausbruch des Krieges von Kesselflickern im Elsass
ihren Eltern gestohlen worden zu sein.
Auch ihre Schwester Karoline durchlebte die
verschiedensten Stationen. Die ebenfalls im Burghölzli Begutachtete verbrachte
Teile ihrer unfreiwilligen Wanderjahre im „Guten Hirten“ in Altstätten, bei der
Basler Heilsarmee, im Zürcher Mädchenheim Tannenhof etc. „Es wäre nachgerade
gerade wegen der unglücklichen Karoline als eine Erlösung zu betrachten, wenn
eine polizeiliche Abschiebung stattfinden könnte, denn irgendwelche
erzieherischen Erfolge werden trotz aller entstandenen Kosten natürlich nicht
errreicht“, schrieb der zürcherische Amtsvormund am 18. April zuhanden des eidgenössischen
Justizdepartements.
Gregor als letzter der Geschwister verstarb am 13.
November 1970, zeitlebens interniert, als Staatenloser in Bern.
[1] http://www.thata.ch/projektsitenfp51jenischesintiroma.html
[2] http://www.jenische-ev.de/
[3] http://www.jenischer-bund.de/
[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Jenische#NS-Verfolgung:_.22Zigeuner.22_und_.22Nichtzigeuner.22
[5] Josef Jörger: Die Familie Zero. In: Archiv für Rassen- und
Gesellschafts-Biologie, einschließlich Rassen- und Gesellschafts-Hygiene. Bd. 2 (1905), H. 4, 494–559.
[6]
http://www.google.com/books?q=%22familie+zero%22&btnG=Nach+B%C3%BCchern+suchen&hl=de
[7] »Spurensuche«. Die jüdischen Schülerinnen und die Zeit des Nationalsozialismus an der Maria-Theresia-Schule Augsburg, in: http://www.datenmatrix.de/projekte/hdbg/spurensuche/content/content_spurensuche-02.htm
[8] Jörger 1911:88/89, zitiert nach
Gruber, Max von und Ernst Rüdin (Hrsg.) (1911): Fortpflanzung, Vererbung,
Rassenhygiene: illustrierter Führer durch die Gruppe Rassenhygiene der
Internationalen Hygiene-Ausstellung 1911 in Dresden. Zweite ergänzte und
verbesserte Auflage. München.
[9] Zitiert nach: Gustav Hofmann, Brigitte Kepplinger, Gerhart Marckhgott, Hartmut Reese: „Gutachten zur Frage des Amtes der Oö. Landesregierung, ob der Namensgeber der Landes-Nervenklinik Julius Wagner-Jauregg als historisch belastet angesehen werden muss“, Linz 2005: S. 25 in: http://www.schloss-hartheim.at/redsyspix/download/Gutachten%20Wagner%20Jauregg.pdf
[10] ebda: S. 23
[11] Auguste Forel: Die sexuelle Frage. Eine naturwissenschaftliche, psychologische, hygienische und soziologische Studie fur Gebildete, München 1906: zu Jörger 1905: S. 353f.
[12] Ernst Rüdin: Studien über Vererbung und Entstehung geistiger Störungen, Berlin 1935: zu Jörger: S. 50, S. 249
[13] zitiert nach: Grewenig / Jäger (Hrsg.): Medien in Konflikten - Holocaust – Krieg – Ausgrenzung", Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung 2000: S. 231
[14] Bericht des Bundesrats über die Situation der Fahrenden in der Schweiz (Oktober 2006), Teil I, Seite 6
[15] E-Mails zwischen Venanz Nobel und Herrn Paul Fink, Bundesamt für Kultur, vom 18.11.2007 und 20.11.2007 aus privatem Archivbestand Venanz Nobel
[16] http://home.balcab.ch/venanz.nobel/qwant/berichtEuroparat2006.html
[17] Venanz Nobel: „Die eigene Geschichte selber schreiben“, in WochenZeitung WoZ 1988, hier zitiert nach http://home.balcab.ch/venanz.nobel/qwant/nfp51begleit/nfp51begleit040116.html
[18] Bestand E 4264(-) 1985/196, Dossier P 10946